Unzulässige Geheimcodes im Arbeitszeugnis
Das Recht in Deutschland auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ist in § 109 der Gewerbeordnung (GewO) festgehalten. Hiernach hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis, wobei die Angaben im Zeugnis sowohl der Wahrheit entsprechen müssen (sog. Wahrheitsgebot) als auch den Beschäftigten nicht offen kritisieren (sog. Grundsatz des verständigen Wohlwollens) und dadurch sein weiteres Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren (vgl. BAG vom 14.6.2016 – 9 AZR 8/15) dürfen.
Zwischen dem Wahrheitsgrundsatz und dem Grundsatz des verständigen Wohlwollens besteht somit ein Spannungsverhältnis.
Wahrheit
Wohlwollen
Ein Zeugnis muss aber nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein (vgl. BAG vom 09.09.1992 – 5 AZR 509/91). Das bedeutet, dass indirekte Kritik nicht verboten ist. Aus diesem Spannungsverhältnis heraus hat sich in der Folge eine Zeugnissprache entwickelt, mit dessen Hilfe Arbeitgeber die Leistung ihres Mitarbeiters abwerten können aufgrund von versteckt negativen Aussagen, verschleiert durch scheinbar positive Formulierungen.
Da es dem Arbeitgeber jedoch untersagt ist, Zeugnisse mit Merkmalen zu versehen, welche den Zweck haben, den Arbeiter in einer aus dem Wortlaut nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen, sprich gegen das Verbot „geheimer“ Formulierungen (vgl. BAG, Urt. v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/10), welches sich aus § 109 Abs. 2 S. 2 GewO ergibt, zu verstoßen, ist es erst einmal notwendig, die entsprechenden Geheimcodes, die im Arbeitszeugnis häufig sehr nett klingen, obwohl letztendlich das genaue Gegenteil gemeint ist, zu (er)kennen.
Wenn Sie die im Zeugnis genutzten Codes selbst entschlüsseln wollen, können die folgenden Beispiele Ihnen einen Eindruck davon geben, wie die im Arbeitszeugnis verwendeten Geheimcodes zu identifizieren sind und was die vermeintlich positiven Formulierungen eigentlich tatsächlich bedeuten:
Geheimcode
Bedeutung
Für die Belange seiner/ihrer Kolleg*innen bewies er/sie immer viel Einfühlungsvermögen
Sie war tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen
Mit seinen/ihren Vorgesetzten ist er/sie besonders gut zurechtgekommen
Er/Sie verfügt über ein gesundes Selbstvertrauen
Er/Sie engagierte sich überwiegend für Arbeitnehmerinteressen außerhalb der Firma
Er/Sie hat mit seiner/ihrer geselligen Art zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen
Er/Sie engagierte sich sowohl innerhalb wie auch außerhalb für die Interessen der Kollegen
Er/Sie machte sich mit großem Eifer an die ihm übertragenen Aufgaben
Er/Sie zeigte Verständnis für seine Arbeit
Er/Sie erledigte alle Aufgaben pflichtbewusst & ordnungsgemäß
Er/Sie verstand es, alle Aufgaben mit Erfolg zu delegieren
Er/Sie war seinen/ihren Mitarbeitern jederzeit ein(e) verständnisvolle(r) Vorgesetzte(r)
Er/Sie koordinierte die Arbeit seiner/ihrer Mitarbeiter und gab klare Anweisungen
Er/Sie hat alle Aufgaben in seinem/ihrem und im
Firmeninteresse gelöst
Sowohl im Umgang mit Kollegen wie auch mit Vorgesetzten zeigte er/sie durchweg eine erfrischende Offenheit
Seine/Ihre umfangreiche Bildung machte ihn/sie zu einem/einer gesuchten Gesprächspartner(in)
Seine/Ihre Auffassungen wusste er/sie intensiv zu vertreten
Er/Sie zeichnete sich insbesondere dadurch aus, dass er/sie viele Verbesserungsvorschläge zur Arbeitserleichterung machte
Wir bestätigen gerne, dass er/sie mit Fleiß, Ehrlichkeit und Pünktlichkeit an seine Aufgaben herangegangen ist
Vorgesetzten und Kollegen war er/sie durch seine/ihre aufrichtige und anständige Gesinnung ein(e) angenehme(r) Mitarbeiter(in)
Die ihm/ihr gemäßen Aufgaben...
Er/Sie zeigte reges Interesse an seiner Arbeit
Er/Sie hatte Gelegenheit, die ihm übertragenen Aufgaben zu erledigen
Wegen seiner/Ihrer Pünktlichkeit war er/sie stets ein gutes Beispiel
Er/Sie vertrat seine/ihre Meinung konsequent
Er/Sie arbeitete sehr nach eigener Planung
Das Produktionsniveau konnte durch seine/ihre Leistung gehalten werden
Er/Sie hatte Gelegenheit, sich das notwendige Fachwissen anzueignen.
Er/Sie war Neuem gegenüber aufgeschlossen
Er/Sie hatte brauchbare Vorschläge gemacht und gab viele Anregungen, die geprüft wurden
Er/Sie vertrat seine/ihre Standpunkte in selbstbewusster Art
Er/Sie ist ein(e) anspruchsvolle(r) und kritische(r) Mitarbeiter(in)
Er/Sie war kontaktbereit
Bei Kunden war er/sie sehr beliebt
Er/Sie führte mit fester Hand/konsequent/straff demokratisch
Er/Sie scheidet aus, um in einem anderen Unternehmen eine höherwertige Tätigkeit zu übernehmen
Er/Sie schied aus, um sich finanziell zu verbessern
Wir haben uns einvernehmlich getrennt
Bei allen auftretenden Problemen war er/sie stets kompromissbereit
Seine Mitarbeiter schätzten ihn als umgänglichen Vorgesetzten
Wir lernten ihn/sie als umgängliche(n) Kollege / Kollegin kennen
Wir wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles nur erdenklich Gute und Erfolg
Er/Sie stand stets voll (!) hinter uns
Er/Sie flirtete heftig und suchte (homo)sexuelle Kontakte im Kollegenkreis
Er/Sie ist sehr stark von sich eingenommen ist und ihm/ihres mangelt es an der notwendigen Kooperationsbereitschaft
Ein Mitläufer und Ja-Sager, ohne Durchsetzungsvermögen und mit schwacher Persönlichkeit
Er/Sie ist arrogant
Er/Sie hat häufig an Streiks teilgenommen oder diese (mit)organisiert
Er/Sie hat Alkoholprobleme
Er/Sie war Mitglied des Betriebsrats und hat sich gewerkschaftlich betätigt
Trotz Fleiß hatte er/sie keinen Erfolg
Er/Sie war faul und sah zwar den Sinn der Arbeit, handelte aber nicht danach
Er/Sie war ein(e) Bürokrat(in) ohne Eigeninitiative
Er/Sie drückte sich erfolgreich vor der Arbeit
Er/Sie besaß keine Durchsetzungsstärke und wurde nicht respektiert
Er/Sie beschränkte sich nur auf Anweisen und Delegieren
Er/Sie beging Diebstahl oder
fiel durch schwere Vergehen auf
Er/Sie war sehr vorlaut
Er/Sie führte lange Privatgespräche
Er/Sie hat ein übersteigertes Selbstbewusstsein
Diese konnten aber nicht umgesetzt werden
Ihm/Ihr fehlte jedoch die fachliche Qualifikation
Ihm/Ihr mangelt es an Tüchtigkeit
Er/Sie erledigte nur anspruchslose Aufgaben
Er/Sie hatte dabei aber keinen Erfolg
Aber es gelang ihm/ihr nicht
Aber nicht wegen seiner/ihrer Leistung
Er/Sie hat eine hohe Meinung von sich und verträgt keine Kritik
Aber nicht nach der Planung des Arbeitgebers
Aber eben auch nicht gesteigert werden
Er/Sie hat es jedoch nicht für sich genutzt
Er/Sie konnte mit Veränderungen nicht umgehen
Diese wurden aber nicht umgesetzt
Er/Sie war ein(e) arrogante(r), anmaßende(r) Mitarbeiter(in)
Er/Sie ist egozentrisch und nörgelt gerne
Aber nicht kontaktfähig
Er/Sie machte viele Zugeständnisse und besitzt keine Verhandlungsstärke
Er/Sie hatte einen autoritären Führungsstil
die wir ihm/ihr nicht zutrauen bzw. anbieten wollten
Wir waren nicht bereit, ihm/ihr mehr zu zahlen
Auf Initiative des Arbeitgebers erfolgte der Abschluss
eines Aufhebungsvertrages
Er/Sie war besonders nachgiebig
Seine/Ihre Mitarbeiter tanzten ihm/ihr auf der Nase rum
Er/Sie war unbeliebt
Möge er/sie in der Zukunft Erfolg haben, der ihm/ihr hier verborgen blieb
Er/Sie litt unter Trunksucht
Anmerkung: Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. Auch sind nicht alle der hier zitierten Formulierungen ausnahmslos als Geheimcode zu verstehen, weil es ohne Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes in der Regel nicht möglich ist, eine einzelne Aussage als unzulässige „Geheimformulierung“ zu qualifizieren. So sieht es auch das Budnesarbeitsgericht, wonach ein Zeugnis und dessen Formulierungen regelmäßig nur im Zusammenhang des gesamten Inhalts ausgelegt werden können (vgl. BAG, Urt. v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/10).